Pressemitteilung
Rede Dr. Ron-Hendrik Hechelmann zur Friedenskundgebung am 25. Februar 2022
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
Donnerstag, der 24. Februar 2022 wird in die Geschichtsbücher eingehen.
Wir erleben eine der dunkelsten Stunden für Europa. Russland führt seit gestern einen Angriffskrieg auf die Ukraine. Der Krieg, den Russland seit 2014 im Osten der Ukraine führt und dem bis heute 14.000 Menschen zum Opfer gefallen sind, eskaliert. Die Besetzung der Krim 2014 war ein Bruch des Völkerrechts. Der Angriffskrieg, der heute begann, ist ein weiterer Bruch des Völkerrechts, den wir aufs Schärfste verurteilen
Er wird als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem Vladimir Putin einer Demokratie auf europäischen Boden einen Krieg erklärt hat. Einen Krieg, um die Ukraine zu vernichten. Einen Krieg, den der russische Diktator ausgerufen hat. Ja, Putin ist ein Diktator, der in seinem Land Journalist*innen verfolgt, Demonstrant*innen einsperrt und politische Gegner*innen als Terroristen brandmarkt. Wir sind heute hier für die Menschen in Russland und in der Ukraine, welche diesen Krieg nicht wollen.
Wir stehen hier, weil wir eine klare Haltung haben: Wir lehnen den Krieg ab. Wir wollen den Frieden. Wir werden aber auch nicht tatenlos zusehen, wie ein demokratisches Land seine Freiheit verliert.
Wladimir Putin täuscht sich, wenn er denkt, dass er sich und seinem Land mit diesem Vorgehen einen Gefallen tut. Er kann Europa seine Vorstellungen einer Weltordnung nicht mit Gewalt aufzwingen. Er zerstört Vertrauen, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde und in unzähligen Friedensabkommen niedergeschrieben wurde. Er schadet dem Ansehen Russlands in der Weltgemeinschaft.
Die Errungenschaft, dass wir in Europa seit fast 27 Jahren den Krieg als Mittel ausgeschlossen haben, hat der russische Diktator in die Mülltonne geworfen. Eine Errungenschaft, für die Millionen Menschen zweiten Weltkrieg sterben mussten. Uns allen ist und war diese Errungenschaft wichtig. Viele mit unserer Haltung haben genau das auch gegen die Diktatur in unserem Land getan.
Der ukrainische Präsident Zelenskyy hat bis zuletzt das Gespräch mit Putin gesucht. Der amerikanische Präsident Biden hat den diplomatischen Weg offen gehalten. Frankreichs Präsident Macron war bemüht, alle Parteien wieder an den Tisch zu bekommen. Olaf Scholz, unser Bundeskanzler, hat noch letzte Woche versucht, den Dialog wieder herzustellen. Mit unserer historischen Verantwortung gegenüber dem russischen und ukrainischen Volk hat er die Hand für eine diplomatische Lösung gereicht. Wir haben uns um unsere Verantwortung, den Frieden zu erhalten, nicht gedrückt. Das haben wir noch nie. Schon Willy Brandt hat sich für die Ostverständigung bemüht, weil er wusste: Frieden geht nur, wenn wir alle miteinander reden und Verantwortung dafür übernehmen, uns gegenseitig zu verständigen.
Wir müssen uns eingestehen: Vladimir Putin wollte diese Verantwortung nicht ernst nehmen. Die Gespräche auf Frieden hat er abgebrochen. Den Krieg hat er und nur er ausgerufen. Wir müssen aber auch ehrlich zu uns sein: Als 2014 in der Ukraine eine Bewegung auf die Straße ging, die die Hoffnung hatte, dass sich ihr Land zur EU hin öffnen würde, haben wir nicht stark genug hingehört. Putin aber hat hingehört. Er hat Angst, dass ein Land, dass früher zum russischen Imperium gehörte, sich „dem Westen“ annähert. Er führt deswegen Krieg, weil er nicht möchte, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer selbst für sich entscheiden, wie ihre Zukunft aussehen soll. Putin hat gesagt, dass er sich vor Homosexuellen fürchtet, weil diese Russland zerstören würden. So ein Unsinn! Wir haben die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, weil die Unterschiede uns erst stark machen. Putin hat Angst vor der Selbstbestimmung der Menschen – wir wissen: Vielfalt macht uns besser. Wir stehen für die Freiheit eines jeden Einzelnen. Putins Krieg ist ein Krieg gegen die Freiheit und Selbstbestimmung und ein Angriff auf unsere Grundwerte.
Wir haben unterschätzt, als die Krim von russischen Truppen besetzt wurde. Unser damaliger Außenminister und heutiger Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier hat auch damals schon die Hand gereicht, um zu vermitteln, um den Frieden zu wahren. Er mahnt uns aber auch, dass der Frieden nicht selbstverständlich ist und dass wir Demokrat*innen geschlossen gegen die Kriegstreiber*innen stehen müssen. Als Russland Truppen unter dem Deckmantel von „Hilfe“ in den Osten der Ukraine schickte, haben wir reagiert. Wir haben Sanktionen erhoben mit der Hoffnung, dass so Russland zurück an den Verhandlungstisch kommt. Die Sanktionen, die es jetzt großflächig geben muss, werden der russischen Wirtschaft schweren Schaden zufügen. Der Einmarsch in die Ukraine führt uns schmerzhaft vor Augen: Unsere gesamteuropäische Wirtschaft muss autonomer werden. Wir müssen als Europa autarker, souveräner und selbstbewusster werden. Mehr denn je bedarf es jetzt eines starken und einigen Europas, das die Stärke des Rechts Putins Recht des Stärkeren entgegensetzt.
Ich bin schockiert. Ich bin traurig. Ich bin wütend. Ich bin fassungslos und ich bin ratlos. Wie muss es erst den Menschen in der Ukraine gehen? Gestern Morgen fielen die ersten Raketen für ihre angebliche Befreiung auf ihre Städte. Putin sagte in seiner Rede, er möchte Referenden abhalten lassen – sicherlich so frei wie auf der Krim. Oder wie in den Regionen in Georgien, Tschetschenien oder in anderen Staaten, die Russland bereits heute unterdrückt.
An diesen Tagen ist vieles Ungewiss. Für uns, für die Menschen in der Ukraine, für Europa. Eine Sache ist jedoch gewiss, stärker als je zuvor in meinem Leben. Autokraten und Faschisten hören nicht auf, Faschisten zu sein. Sie hören nicht auf, ihren Machtanspruch auf andere ausweiten zu wollen. Sie hören nicht auf, bis die Demokratien und die Menschen sich gemeinsam gegen sie stellen. Wir stehen nun gemeinsam gegen sie. Es werden harte Sanktionen gegen Putin und seine Gefolgschaft folgen. Die EU und unsere Bündnispartner*innen stehen zusammen. Unsere Regierung hat versucht, alle Möglichkeiten offen zu halten, die Diplomatie nicht zu beenden. Wir haben uns aber auch vorbereitet auf den Ernstfall. Harte Sanktionen, Unterstützung für die Ukraine und vor allem die Bereitschaft, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen – dafür stehen wir jetzt.
Es geht dabei um den Frieden für uns alle. Es geht aber auch um die Freiheit für uns alle – beides geht nur, wenn wir uns als Völker und Staaten gegenseitig respektieren.
Ich stehe gegen Krieg, ich stehe aber zur Verantwortung gegenüber allen Menschen, die in Frieden und Freiheit leben wollen.
Ich stehe heute solidarisch mit der Ukraine.